Der folgende Beitrag enthält Werbung für die Genussakademie Bayern.
Die Kunst der Fermentation ist in aller Munde. Ob wir Sushi in Sojasauce tunken, Käse essen oder Schokolade naschen, jeder von uns hat schon mal ein fermentiertes Lebensmittel zu sich genommen – meist sogar, ohne es zu wissen. Das Fermentieren ist wohl eine der ältesten Methoden Lebensmittel einerseits haltbar zu machen und/andereseits deren Geschmack zu verändern. Was für unsere Großmütter noch Alltag war, müssen wir wieder neu lernen und erkunden, denn die Fermentation ist in den letzten Jahren, zumindest hier in Deutschlang in Vergessenheit geraten. Ganz anders in Japan, denn hier wird die Sojasauce noch immer aus mit Koji Pilzen fermentierten Sojabohnen hergestellt.
Das wichtigste fermentierte Lebensmittel hier in Franken (bzw. in Bayern) ist wohl das >> Sauerkraut, welches durch Milchsäurevergärung von Weißkohl entsteht. Der Weißkohl wird in Salzlake eingelegt und nach ca. 3 Wochen ist das Sauerkraut fertig. Beim Koji ist das ein bisschen anders. Was genau hier passiert und wie man mit dem Pilz Lebensmittel veredeln und Miso Pasten herstellen kann lerne ich heute bei einem Workshop im Food Lab der Genussakademie Bayern.
Wir machen Wissen schmackhaft.
Genusssakademie Bayern
Wir treffen uns am 06. Januar morgens um 9:30 Uhr auf dem Heinersreuther Hof der Adalbert-Raps-Stiftung, dem sogenannten Raum Null der Genussakademie Bayern, um über Koji zu sprechen, Koji zu erleben und Koji zu schmecken. Hier wird im Laufe des Jahres 2020 ein Campus für Lebensmittelmacher entstehen.
Der Raum Null ist die Kreativeinheit und Denkfabrik der Genussakademie Bayern. Hier kommen Forschung, Praxis und Kulinarik zusammen. Als interdisziplinäre Austauschplattform für Experten der Ernährungsbranche bietet der Raum Null einen Ort um mit Kollegen und Profis über relevante Fragen aus allen kulinarischen Tätigkeitsbereichen zu diskutieren. Hier treffen sich Gastronomen, Ernährungshandwerker, Erzeuger, Forscher und Journalisten – heute sind Dr. Daniel Kofahl (Ernährungssoziologe), Markus Shimizu (Koji Manufakturist) und Felix Schneider (Sosein Restaurant) vor Ort um uns ihr Wissen zum Thema Koji näher zu bringen.
Die Interessierten, das sind wir: Köche (Tobias Bätz, Sebastian Priem, Jörg Oßwald), Metzger (Matthias Endrass), Foodjournalist (Stevan Paul, Thomas Ruhl, Vijay Sapre) und Foodblogger (Highfoodality, Dinner um 8, Ye olde Kitchen und ich).
Mein erster Eindruck vom Heinersreuther Hof: hier will ich einziehen! Ich liebe die alten Gemäuer, den Charme und die Atmosphäre hier. Ein richtiger Rückzugsort um gemeinsam zu denken, sich weiterzubilden und auch ein wenig zu „spinnen“. Der Tag startet vielversprechend, denn schon das Frühstück in der Stube ist ein Genuss.
Dr. Daniel Kofahl über Ernährungskultur und Genuss
Schon bevor das offizielle Programm beginnt komme ich mit Daniel Kofahl vom >> Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur ins Gespräch. Wir stehen im Gang und plaudern über Eiscreme und welch „witziges Produkt“ das eigentlich ist. Zuerst ist mir nicht ganz klar, was ihn am Thema Eis so zum Schmunzeln bringt. Daniel erzählt und auch ich fange an beim Gedanken an Eiscreme zum Schmunzeln.
Eiscreme ist kulinarischer Humanismus.
Daniel Kofahl
Im 19. Jahrhundert, als Gefrierschränke oder ähnliches fehlen, ist Eis ein echtes Luxusprodukt, denn die Herstellung und Aufbewahrung ist kostspielig. So bleibt Eiscreme lange nur den oberen Zehntausend vorbehalten und hat damit eine soziale Distinktionsfunktion (Abgrenzungsfunktion). Der Massenkonsum folgt mit der Entwicklung der kommerziell einsetzbaren Gefriermaschinen in den 1860er Jahren.
Die Menschen sind ganz verrückt nach Eis und so kommt Anastas Mikojans in den 1930er Jahren auf eine Idee: der sowjetische Volkskommisar für Binnen- und Außenhandel sowie Lebensmittel, bricht zu einer Reise in die USA auf. Der Kommunist hat ein Ziel: Eiscreme. Von seiner Reise bringt er industrielle Eismaschinen mit, 1932 eröffent dann die erste Eisfabrik in der UdSSR. Eiscreme soll ein Volksnahrungsmittel werden und die Menschen zusammenbringen. Sein Plan geht auf, und das nicht nur in Russland. Auf der ganzen Welt wird Eiscreme ein Erfolg. Obwohl das Lebensmittel keinerlei positiven Nutzen für den menschlichen Körper hat, freut sich jeder über eine Kugel Eis. Denkt doch mal drüber nach… wisst ihr noch wie eure erste Kugel Eis geschmeckt hat? Oder wieviele Kugeln ihr schafft, bevor euch der Bauch weh tut? Eiscreme ist wahrlich ein Produkt, das Kindheitserinnerungen weckt und Spaß macht.
Wir stehen auch im Gang und überlegen, welches Eis wir als Kind besonders gerne gemocht haben. Sofort fällt mir Bumbum ein und ein Lächeln huscht mir übers Gesicht. Das Besondere an diesem Eis war nämlich, dass ich mir als Kind – als ich noch keinen Lippenstift benutzen durfte – schon meine Lippen rot färben konnte. Ein Spaß – noch heute!
Daniel ist Soziologe und forscht im Bereich Ernährungskultur und Genuss. Warum essen wir bestimmte Dinge? Warum sind Speisen in der einen Kultur eine Delikatesse und in der anderen ein Nahrungstabu? Und was hat Regionalität mit Geschmacksbildung zu tun? Diesen und viel mehr Fragen geht Daniel nach und bringt uns diese in seinem Vortrag näher.
Delikatesse oder Nahrungstabu?
Er spricht vor allem um die Kultur des Essens. Wann z.B. ist Essen Delikatesse oder ein Nahrungstabu? Das kommt vor allem darauf an, wo wir leben. Andere Länder andere Sitten, sagt man doch so schön. Im Raum sitzen 15 aufgeschlossene Foodies, die eientlich alles probieren würden. Aber bei der chinesischen Delikatesse Tong zi Dan z.B. geht dann doch ein Raunen durch die Reihen. Eine wirklich kuriose Spezialität. Es handelt sich hierbei um in Kinderurin gekochte Eier (ja, ihr habt richtig gelesen: Urin) – was in dem chinesischen Dorf als Delikatesse gilt würde hierzulande, ziemlich sicher, nur auf Ablehnung/Ekel stoßen.
Oder wie war das früher mit der Blutsuppe? In der Kinderserie Michel aus Lönneberger zelebriert die Familie das Essen der Blutsuppe nach dem Schlachten – eine andere Zeit und eine ländliche Region. Heute gibt es wohl kaum Städter, die gerne eine Blutsuppe essen würden – anders sieht das auf dem Land aus. Das Problem hierbei ist die kulturelle Distinktion. Bestimmte kulturelle Gruppen haben eben auch bestimmte kulinarische Vorlieben, welche nicht immer mit anderen Gruppierungen übereinstimmen und dadurch natürlich auch Konflikte entstehen können.
Kulinarische Re-Innovation
Ein sehr wichtiges und aktuelles Thema, passend zum Koji, ist die sogenannte Reinnovation. Etwas, das früher einmal bekannt war und in Vergessenheit geraten ist, erlebt einen neuen Aufschwung. In den letzten Jahren erlebt die Fermentation einen erneuten Aufschwung. Nicht nur in der Spitzengastronomie, auch zu Hause in unseren Küchen, wird wieder fermentiert. Ein ähnliches Phänomen erlebte vor einigen Jahren die Nose to Tail Bewegung – auch eine Reinnovation.
Markus Shimizu über Koji und Miso
Markus lebt in Berlin, hat seit 16 Jahren Erfahrung im Bereicht der Fermentation und betreibt den >> mimi ferments Shop in dem er selbst u.a. Miso Pasten und Sojasauce herstellt.
Fermentation – was ist das eigentlich?
Fermentation ist eine mikrobielle Transformation von organischen Stoffen und führt hauptsächlich dazu Lebensmittel haltbar zumachen. Grundnahrungsmittel wie Brot oder Käse wären ohne Fermentation nicht herstellbar, genauso wie z.B. Alkohol, Schokolade oder Tabak. Wenn ihr noch mehr zum Thema Fermentation lesen möchtet empfehle ich Euch den Artikel auf dem Blog des Raum Null zum Thema >> Milchsaure Gärung.
Warum fermentiert man Lebensmittel?
Durch die Fermentation werden Lebensmittel haltbar und besser verwertbar, da sie wertvolle Inhaltsstoffe wie Enzyme oder Mikroorganismen enthalten. Diese sind gut für unsere Gesundheit. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das Sauerkraut, bei dem durch die Fermentation der schwer verdauliche Weißkohl besser verträglich wird. Das Besondere an der Fermentation, im Gegensatz zu anderen Haltbar-Machen-Methoden: Vitamine bleiben erhalten.
Koji
Koji ist der japanische Name für den Schimmelpilz Aspergillus Oryzae, welcher für die Herstellung von Sojasauce, Miso, Sake, Amazake, Sochu, Mirin und Reisessig eingesetzt wird.
Koji ist, wie das Mutterkorn, eigentlich ein Pilzschädling, der Getreide befällt und wird im Jahre 300 v. Chr. erstmals in China schriftlich erwähnt.
Um z.B. Miso herzustellen muss zunächst der Koji Pilz kultiviert werden. Hierzu werden Reis oder Gerste eingeweicht, abgetropft, gedämpft, abgekühlt und anschließend mit Koji Sporen geimpft. Während zwei Tagen bei ca. 30°C verstoffwechselt der Koji Pilz das Substrat mit Hilfe von Enzymen. Diese Enzyme spielen für die weiter aufbaueneden Fermentationsschritte eine wesentliche Rolle.
Das Koji, also das mit dem Koji Pilz geimpfte Substrat, wird dann mit zertsoßenen Sojabohnen und Salz gemischt und kompakt in ein Fass geschichtet und mit Holzplanken und Steinen beschwert und verschlossen. Je nach Miso Sorte unterscheiden sich die Proportionen von Getreide und Sojabohnen, sowie Salzgehalt und Fermentationsdauer. Fermentiert wird traditionell in Holzfässern bei Umgebungstemperatur. Und genau hier leisten nun die Enzyme ganze Arbeit: sie zersetzen das Substrat auf eine bestimmte Art und Weise und machen so aus Gerste, Sojabohnen und Salz eine Miso Paste voller Umami Geschmack.
Natürlich kann man neben den klassischen Rezepturen auch experimentieren und so verschiedene Gemüse, Fisch oder Fleischprodukte in eine Misopaste miteinarbeiten. Wir probieren uns durch einige seiner Experimente und ich persönlich bin ganz begeistert von Markus Rote Bete Miso.
Besonders spannend: durch das Fermentieren mit Koji verändert sich der Geschmack von Lebensmitteln, so erzählt uns Markus, dass sein Süßkartoffel Miso nach Orangensaft schmeckt. Verrückt, oder?
Das Ziel bei der Miso Herstellung ist dabei ganz klar das Erzeugen des Umami Geschmacks, der für vegane und vegetarische Speisen besonders interessant ist.
3 Gänge Menü aus dem Sosein zum Mittagessen
Nach so viel Infos brauchen wir eine kleine Pause und wie könnte man diese schöner verbringen als bei Tisch mit leckerem Essen?! Natürlich geht es direkt am Tisch weiter mit Gesprächen – ich unterhalte mich mit Joschi (Foodscout, der sich liebevoll als „Trüffelschwein“ bezeichnet) und Fuchs (Sous Chef), aus dem mit zwei Michelinsternen dotierten Restaurant Alexander Herrmann in Wirsberg, darüber, wie sich die Sternegastronomie und die Erwartungen der Gäste verändert haben, über den Anspruch immer neue Produkte und Erzeuger zu entdecken und über das Tropenhaus. Ein riesiges Gewächshaus, das mit Abwärme aus der Industrie geheizt wird. Hier ist es bspw. möglich eine regionale, also fränkische, Papaya anzubauen und in Folge dessen diese auch im Restaurant anzubieten. Ich finde es eine ganz großartige Entwicklung, dass die Regionalität und auch Saisonalität in der Sternegastronomie so einen hohen Stellenwert hat!
Neben uns wird weiter heiß über Koji diskutiert: wie man selbst zu Hause am Besten Misopaste herstellen könne und wie man den Koji „Pflegen“ muss etc. Markus wird gelöchert und gibt Tipps ala „Koji kann man auch einfach in Decken einpacken und so bei 30°C halten“ – so ist das, wenn Foodies unter sich sind.
Unterdessen seiht Felix eine Brühe vom gerösteten Huhn und Kohlrabi-Bushi ab, die es zum 1. Gang des Mittagsmenüs geben wird.
In der Schale liegen schon ein Onsenei, marinierter Schweinebauch, Grünkohl, gedämpfte Zwiebel und frittierte Leinsaat – darüber die Brühe. Ein Gedicht – auf einmal wird es ganz still, denn alle sind in ihre Teller vertieft.
Im Anschluss probieren wir Mangalica Schwein – Felix serviert uns den Nacken. Dieser ist 9 Wochen gereift – einmal liegt er pur und einmal mit Buchwezenkoji fermentiert auf dem Teller: „Cooked in a healthy amount of selfmade shiokoji butter“. Dazu gibt es Topinambur- und Wirsingmiso.
Als Dessert serviert uns Felix ein Eis aus gefrorenem Amazake (ein Getränk aus fermentiertem Reis), Sake-Butterkaramell, eingelegter Aprikose und einer Vinaigrette aus Zierquittensaft, Gurkensaft und Verbeineöl.
So gut gestärkt und glücklich gegessen sind wir perfekt vorbereitet um noch tiefer in das Thema Fermentation einzusteigen. Es wird praktisch und wir probieren uns mit Felix durch seine ca. 30 Gläser mit verschiedenen Miso Pasten und Garum, die das sosein Team tagtäglich zum Kochen verwenden.
Felix Schneider über Koji Fermente im Sosein
Als ich das erste Mal, vor einigen Jahren, im sosein gegessen hatte, war ich vom Geschmack eines fermentierten Radieschens sofort begeistert. Seit dem bin ich angefixt und beschäftige mich selbst mit dem Thema Fermentation. Neben >> fermentierten Radieschen und >> selbstgemachtem Sauerkraut (nie wieder gekauftes Sauerkraut!) bereite ich auch Limonaden aus Kefir selbst zu – auch ein Fermentationsprozess. Kennt ihr >> Salzzitronen oder >> Kimchi? Auch das sind fermentierte Lebensmittel, die ich in meinem Kochalltag nicht mehr missen möchte.
Im mit zwei Sternen dotierten Sosein Restaurant produziert/veredelt das Team um Felix viele Produkte mit Hilfe der Fermentation. Neben selbst gemachtem Schaumwein aus Kefir oder Sauerkraut aus Rotkohl findet man auch die köstlichste selbstgemachte Butter und zum-Niederknien-guten-Schinken. Das Besondere an Butter und Schinken/Wurst im Sosein ist auch hier die Fermentation mit dem Koji Pilz. Der Lardo z.B. wird mit Koji und Heu veredelt, was ihm einen unglaublich fein blumigen Geschmack verleiht. Die selbstgemachte Sauerrahmbutter wird durch die Behandlung mit dem Koji vor allem lange haltbar und das allseits bekannte „ranzig werden“ wird durch den Pilz unterbunden, denn dieser verhindert die Oxidation, also die Reaktion der Butter mit Sauerstoff.
Alle Gemüsereste (Kartoffelschalen, Brokkolistrünke, etc.), sowie übriges Eiweiß verarbeitet Felix zu Miso oder Garum (Würzsauce). So wird aus rohen Haselnüssen das leckerste Miso überhaupt oder aus Kohlrabi die Basis für die köstliche Suppe, die er uns als Mittagessen serviert. Ein Klassiker (oder Neudeutsch: signature dish): das gelbe Erbsen Miso, das zusammen mit Ike Jime geschlachteter, in Apfelessig eingelegter und abgeflämmter Forelle, rohem Lauch und einem Öl aus verbranntem Lauch serviert wird, beginnt so wie auf dem Bild: gelbe Erbsen mit Koji in einer Box.
Nachdem die Erbsen mit dem Koji geimpft wurden und sich der Pilz verbreitet hat, werden die Erbsen luftdicht und fest in ein Glas gepackt, mit Salz versetzt und dann wird abgewartet, bis aus den gelben Erbsen die braune Erbsen Miso geworden ist. Ein solcher Prozess dauert mehrere Monate bis Jahre. In dieser Zeit entsteht der unverwechselbare Umami Geschmack, der den Miso Pasten ihre Tiefe verleiht.
Seit hunderten von Jahren wird fermentiert und eines ist klar: es ist wirklich kein Hexenwerk.
Felix Schneider
Vielen Dank an die Genussakademie Bayern für die Einladung zu diesem tollen Workshop zum Thema Koji und Fermentation. Die Menschen und Geschichten, die ich im Food Lab im Raum Null kennenlernen und hören durfte war spannend und lehrreich und ich freue mich schon, die gewonnenen Erkenntnisse zu Hause umzusetzen.
Noch mehr Infos über Koji gewünscht? Dann lest doch mal bei Claudia von Dinner um Acht, sie hat schon ein Buch über Miso geschrieben und kennt sich aus: